Serie «Kunst im öffentlichen Raum», in der Solothurner Zeitung und im Grenchner Tagblatt vom 12. Oktober 2021, Text und Bilder: Andreas Toggweiler

Leben in einem Würfel aus Stahl und Glas

Grenchens Vize-Stadtpräsident Remo Bill ist kunstsinnig und setzt sich für Kunst im öffentlichen Raum ein. Und er lebt selber in einer Architektur-Ikone.

Das Wohnhaus der Familie Bill an der Jurastrasse 101 ist etwas Besonderes. Der Bau aus Stahl und Glas ist ein ehemaliger Ausstellungsstand für Möbel von USM Haller für die Hannovermesse 1974 und stand danach während 10 Jahren als Büropavillon bei USM in Deutschland.

Als junger Architekt arbeitete Remo Bill während vier Jahren im Büro der Schweizer Architektur-Legende und USM-Erfinders Fritz Haller (1924-2012) in Solothurn und wurde von dessen Architektur-Philosophie, in Fachkreisen «Solothurner Schule» genannt, geprägt. Auch das Büro Barth&Zaugg Architekten in Aarau, wo Bill während elf Jahren arbeitete, war ein wichtiger Vertreter der Solothurner Schule.

Es erstaunt deshalb nicht, dass Bill den USM-Pavillon 1984, als er nicht mehr gebraucht wurde, erwarb und zunächst einlagerte, bis er in Grenchen ein geeignetes Stück Land fand, um das Gebäude als Wohnhaus neu aufzubauen.

Das unterkellerte zweistöckige Gebäude ist nach dem Fritz Haller entwickelten Systembau-Grundraster (Quadrate in der Seitenlänge von 1,2 m bzw. ein Mehrfaches davon) aufgebaut. Das lichtdurchflutete Haus mit weissem Marmorboden ist natürlich mit USM und weiteren Designmöbeln wie etwa Freischwingerstühlen von Breuer möbliert.

Viele Details machen aus der Architektur auch Kunst. Ein von Remo Bill selbst entworfener handgefertigter Wollteppich aus Nepal nimmt sowohl die Quadrate, als auch die Farben eines bemalten Steins von Heini Bürkli auf. Remo Bill besitzt mehrere Bilder und Objekte des Künstlers, sei er doch auch mit ihm verwandt. Dazu kommen Werke von regionalen Kunstschaffenden wie Sonja Friedrich, Beat Julius Müller, Walter Emch und Peter Travaglini.

Und der berühmte Namensvetter Max Bill, von dem beim Parktheater eine der ersten grossen Plastiken steht? «Hier kann ich es nicht genau sagen», meint Bill. Immerhin habe man direkt benachbarte Heimatorte: «Er Moosseedorf, ich Münchenbuchsee, dort kommen die Bills her.»

Der Stahl-Glas-Kubus ist energetisch zwar anspruchsvoll. Geheizt wird mit Warmluft, ein automatisches Storensystem sorgt im Sommer für Kühle. «Im Winter schalte ich es oft aus und die Sonne heizt das Haus im Nu auf.»

2005 war eine Gesamtrenovation fällig. Seit diesem Zeitpunkt steht vor dem Haus ein rostiger Eisenwürfel, der die Proportionen aufnimmt, aber einen farblichen Kontrast zu hellen Fassade bildet. Zum Haus als architektonischem Bijou, das auch als Objekt im Wakkerpreis-Verzeichnis der bemerkenswerten Grenchner Nachkriegsbauten von 2008 aufgeführt ist, kommt damit eine künstlerische Ausschmückung dazu.

Der Würfel wiegt rund eine halbe Tonne und wurde 2005 von Christian Schnyder, Metallbaulehrling, der Firma Messmer Metallbau GmbH, Bettlach gefertigt. «Er ist äusserst präzis hergestellt», freut sich der Hausherr. Die Figur sei auch inspiriert durch die Expo.02-Arteplage Murten. Der 34 Meter im Kubus messende Metallwürfel vom Pariser Architekten Jean Nouvel war kurz zuvor eine der Hauptattraktionen der Landesaustellung. «Sie hat mich damals sehr beeindruckt», schildert Bill.

Der Grenchner SP- Gemeinde- und Kantonsrat betreibt sozusagen Kunst im öffentlichen Raum als Privatinitiative, setzt sich aber auch als Politiker dafür ein, etwa in Leserbriefen oder indem er den Stadtvätern in Erinnerung ruft, dass bei öffentlichen Bauten die Idee als Leitlinie bestehe, ein Prozent der Bausumme für Kunst am Bau zu reservieren.

In Grenchen habe die Kunst am Bau einst eine grosse Rolle gespielt. Bill erinnert an das Haldenschulhaus oder die zahlreichen weiteren Skulpturen auf Stadtgebiet. Auch Veranstaltungen wie die Triennale oder der Kunstmarkt Coffre Ouvert unterstreichen für ihn die Rolle der Kunst in der Öffentlichkeit.

Oft stehen heute knappe Budgets in Opposition zu diesen Überlegungen. Für Bill ist das aber am falschen Ort gespart. Gerade auch im Hinblick der anstehenden Erweiterung des Schulhauses Kastels sollte dieses Kulturprozent wieder angewandt werden, meint er. «Sichtbare Kultur gehört auch zur Lebensqualität in einer Stadt. Das passt bestens zu unserem aktuellen Kompass-Leitbild zur Förderung der Wohnattraktivität».